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Eine Nacht waren es -17 °C

38-jährige Pastorin schläft seit anderthalb Jahren ohne Unterbrechung in einer Hängematte auf ihrem Balkon

Von NSN / 09.03.2021 / 13:26 Uhr

(Barnstorf) Während es draußen gerade wieder frostig wird und man sich unter die warme Bettdecke seines Schlafzimmer-Bettes kuschelt, geht Sina Schröder zum Schlafen auf ihren Balkon in die Hängematte und trotzt dort Regen, Sturm, Schnee und extremen Frost - seit nun 1,5 Jahren, ohne Unterbrechung.

Dabei ist die Niedersächsin aus Barnstorf keineswegs Extremsportlerin oder Outdoor-Reisende, noch nicht mal Camping oder Zelten hatte sie zuvor gemacht.

Die Idee entwickelte sich nach extrem heißen Tagen im Sommer 2019. Sina Schröder, Diplom-Theologin und Pastorin im Ort, hatte ihre Schlafstätte für sich, ihren Mann und ihre vier Kinder in ein Nachtlager auf den Balkon verlegt - kühler als in ihrem Haus war es dort und Sina merkte, dass sie unter freiem Himmel so gut schlafen konnte, wie lange zuvor nicht. Während ihr Mann Torben und ihre Kinder nach ein paar Outdoor-Tagen wieder ins Haus wechselten, blieb Sina zum Übernachten draußen - bis heute. "Ich bin einfach draußen geblieben,", erzählt die 38-Jährige, "seit Jahren hatte ich Schlafstörungen."

Draußen konnte sie einfach besser schlafen. "Ich wollte schauen, wie lange ich es schaffe und als es im Herbst kälter wurde, wurde mein Ehrgeiz geweckt". Sina Schröder blieb draußen, optimierte ihr Material: Bessere Schlafsäcke, Regenplane, Lammfell. Damit trotzte sie Wetterkapriolen, bei denen andere nicht ihren Hund vor die Tür lassen. "Das Wetter war immer ein Thema", erzählt die Theologin, "das sind die herausfordernsten aber auch schönsten Momente". Selbst im Sturm mit über 80 km/ h konnte sie gut einschlafen: "Ich habe meine Regenplane extra befestigen müssen, aber vom Sturm blieb nur ein Schaukeln über". Eine einzige Nacht war das Outdoor-Erlebnis ihr nicht angenehm wie sonst: "Ich habe nicht gefroren, aber es war nicht so mollig". Ein Blick auf das Thermometer zeigte Sinas Schröder den Grund dafür: Minus 17 Grad, die kälteste Nacht seit Langem. Die Pastorin nimmt das Erlebte mit in barmherzige Gedanken an diejenigen, die nicht aus Abenteuerlust draußen übernachten müssen: "Es gab im Winter 17 Kältetote", so Sina Schröder, "genau diesem Thema bin ich sehr nah gekommen, es war eisig kalt, aber ich hatte den Luxus mit der Ausrüstung". Seit dieser Erkenntnis engagiert sich die vierfache Mutter für Obdachlose, unterstützt ein Projekt, welches aus alten Schlafsäcken, Isolieranzüge für Obdachlose baut.

Der Drang, Herausforderungen zu meisten und nicht nur das Alltägliche abzuarbeiten, kam der Barnstorferin übrigens nach der ungewöhnlichen Geburt ihres vierten Kindes, es kam überraschend zu Hause zur Welt, hatte es eiliger als die Hebamme kommen konnte - ein prägendes Erlebnis. "Ich merkte, was ich alles kann, ohne es zu erwarten, ich hatte ein Gefühl, dass man kraftvoller war, als man dachte." Zuvor fühlte sie sich eingerichtet, ohne Herausforderung, als Mutter von vier Kindern drehe sich alles um die Kinder, das eigene "Wild-Sein", das gehe unter. "Das Draußenschlafen ist ein Micro-Abenteuer".